30. Juli 2025Claudia Otte
Urteil im Verfahren gegen den mutmaßlichen Brandstifter von Solingen

Der Angeklagte wurde wegen Mordes in vier Fällen und dreier Fälle des versuchten Mordes – jeweils in Tateinheit mit weiteren Straftatbeständen – zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe als Gesamtstrafe verurteilt. Darüber hinaus ordnete das Gericht die anschließende Unterbringung in der Sicherungsverwahrung an und stellte die besondere Schwere der Schuld fest.
Tatgeschehen
Nach den Feststellungen der Kammer hat der Angeklagte in der Nacht zum 25. März 2024 gegen 2:30 Uhr einen Brand in einem Mehrfamilienhaus in Solingen gelegt. Er begab sich in das Haus, verschüttete im Treppenhaus mindestens einen Liter Brandbeschleuniger auf Benzinbasis und setzte diesen anschließend in Brand. Das Feuer breitete sich rasch im gesamten Gebäude aus. Für eine im Dachgeschoss wohnende vierköpfige Familie – ein Elternpaar und ihre beiden Kinder im Alter von zwei Jahren bzw. fünf Monaten – bestand aufgrund der vollständig vom Feuer erfassten Fluchtwege keine Möglichkeit zur Rettung. Alle vier Personen kamen infolge des Brandes ums Leben.
Die Bewohner der unteren Etagen konnten sich durch Sprünge aus den Fenstern in Sicherheit bringen. Mehrere Personen erlitten dabei erhebliche Verletzungen, darunter teils schwere Verbrennungen. In mindestens drei Fällen bestand Lebensgefahr. Für diese Taten wurde der Angeklagte zusätzlich wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und schwerer Brandstiftung verurteilt.
Weitere Brandstiftungen und Gewalttaten
Darüber hinaus stellte die Kammer fest, dass der Angeklagte bereits am 9. November 2022 einen ersten Brandanschlag auf dasselbe Wohnhaus in Solingen verübt hatte. Dabei legte er mehrere mit brennbarer Flüssigkeit getränkte Grillanzünder und eine brennbare Box ab und entzündete diese. Die Bewohner bemerkten das Feuer rechtzeitig und verständigten die Feuerwehr, die den Brand noch vor einer Durchzündung des Treppenhauses löschen konnte.
Am 16. Februar 2024 unternahm der Angeklagte einen weiteren Versuch, ein anderes Wohnhaus in Solingen in Brand zu setzen. Auch hier verschüttete er mehrere Liter brennbare Flüssigkeit im Treppenhaus und entzündete sie. Anders als beabsichtigt, brannte die Flüssigkeit lediglich oberflächlich. Es kam zu keiner Durchzündung, das Feuer erlosch selbstständig.
Am 8. April 2024 griff der Angeklagte in einer weiteren Tat einen Bekannten in dessen Wohnung in Solingen an. Ohne erkennbaren Anlass sprühte er dem Zeugen zunächst Reizgas ins Gesicht und schlug dann mit einer etwa 40 bis 45 cm langen Machete mehrfach auf dessen Kopf ein. Der schwer verletzte Zeuge konnte sich ins Treppenhaus retten, wurde dort jedoch erneut vom Angeklagten mit der Machete angegriffen. Die Schläge führten zu stark blutenden Verletzungen der Kopfhaut, die eine sofortige Notoperation erforderlich machten. Die Kammer bewertete auch diese Tat als heimtückisch.
Bewertung durch das Gericht
Nach Überzeugung der Kammer hat der Angeklagte bei allen Taten zumindest billigend in Kauf genommen, dass Menschen zu Tode kommen. Es wurden mehrere Mordmerkmale erfüllt, insbesondere die Verwendung eines gemeingefährlichen Mittels durch den Einsatz von Feuer sowie Heimtücke – letztere sah das Gericht bei nahezu allen Opfern gegeben, da sie nachts im Schlaf überrascht wurden und sich in einer Arg- und Wehrlosigkeit befanden.
Besonders hervorgehoben wurde die Grausamkeit des Vorgehens sowie der Umstand, dass der Angeklagte keinerlei erkennbare politische oder ideologische Motive für die Tat gehabt habe. Das Gericht hat sich seit März 2025 umfassend mit der Frage befasst, ob eine rechtsradikale Gesinnung des Angeklagten als Tatmotiv in Betracht kommt. Hierzu wurden durch das Gericht umfangreiche Nachermittlungen veranlasst, die von der Polizei unter hohem Personaleinsatz durchgeführt wurden.
Die dabei gewonnenen Erkenntnisse – einschließlich einer Auswertung digitaler Spuren aus dem persönlichen Umfeld des Angeklagten – führten jedoch zu keinem belastbaren Nachweis einer politischen oder extremistischen Motivation. Zwar konnten vereinzelt digitale Inhalte festgestellt werden, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind (u. a. Websites, Musikdateien, Bilder), jedoch ließ sich kein belastbarer Zusammenhang zur Tatmotivation herstellen. In einigen Fällen war nicht eindeutig feststellbar, ob die Dateien dem Angeklagten selbst zuzuordnen sind.
Laut dem psychiatrischen Sachverständigen ist die Tat vielmehr als Ausdruck einer persönlichkeitsbedingten Störung zu bewerten. Der Angeklagte habe demnach aus einem stark gestörten Selbstwertgefühl heraus und unter dem Druck innerer Konflikte gehandelt. Er sei nicht aus ideologischen, sondern aus zutiefst egozentrischen, selbstsüchtigen Motiven heraus tätig geworden. Die Tatorte wiesen durchweg einen biographischen Bezug zum Angeklagten auf.
Rechtsfolgen
Wegen der außergewöhnlichen Gefährlichkeit des Angeklagten und seiner anhaltenden Gewaltbereitschaft ordnete das Gericht neben der lebenslangen Gesamtfreiheitsstrafe auch die anschließende Sicherungsverwahrung an. Angesichts der Gesamtumstände – insbesondere der Tötung von vier Menschen, der erheblichen Gefährdung weiterer 21 Personen sowie der Tatschwere – wurde zudem die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Dies hat zur Folge, dass eine Aussetzung der Strafe nach 15 Jahren auch bei günstiger Sozialprognose grundsätzlich nicht möglich ist.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Gegen das Urteil kann binnen einer Woche Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt werden.
Bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gilt der Angeklagte weiterhin als unschuldig im Sinne des Gesetzes.
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